PKK-Terror in Deutschland – Offener Brief an Bundesinnenminister Horst Seehofer

Offener Brief vom Generalsekretär der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG), Bekir Altaş, an Bundesinnenminister Horst Seehofer anlässlich der Welle der Gewalt gegenüber Muslimen, Moscheen und Gebetshäusern in Deutschland:

Sehr geehrter Herr Bundesinnenminister,

die zunehmenden Anschläge auf Muslime und ihre Einrichtungen erfüllen uns mit großer Sorge. So wurden in den vergangenen Tagen Moscheen in Bremen, Lauffen, Berlin, Itzehoe und Ahlen angegriffen. Seit Beginn des Jahres gab es nach unserer Zählung ungefähr 20 Angriffe auf muslimische Einrichtungen.

Dabei nimmt nicht nur die Zahl der Übergriffe dramatisch zu, sondern auch die Qualität der Gewalt erreicht ein neues Ausmaß. Bei den Anschlägen mit Molotowcocktails wird der Tod von Menschen immer häufiger intendiert oder zumindest billigend in Kauf genommen, wie beispielsweise beim Brandanschlag auf eine IGMG-Moschee in Lauffen bei Neckar. Dort befinden sich die Moscheeräume in einem Mehrparteienhaus mit mehreren Wohnungen. Es war nur dem Zufall zu verdanken, dass das Feuer rechtzeitig entdeckt und gelöscht werden konnte.

Erschreckend ist zudem, dass die Angriffe an diesem Wochenende in verschiedenen Bundesländern zum Teil sogar zeitgleich ausgeführt wurden und damit den Eindruck eines koordinierten Vorgehens erwecken.

Weiterhin werden die Gewalttaten nicht nur durch Rechtsextremisten und Neonazis begannen, sondern seit Beginn des Jahres zunehmend auch durch PKK-Anhänger und -Sympathisanten. Insofern sehen wir uns leider darin bestätigt, dass die Bezeichnung bzw. Verharmlosung der Anhänger dieser Organisation als „Freiheitskämpfer“, „Aktivisten“ oder „Milizen“ ein Klima begünstigt, in dem diese Übergriffe gedeihen können. Denn PKK-Gruppierungen mobilisieren sich zunehmend und rufen nun schon offen zu Gewalt gegen Moscheegemeinden und türkische Einrichtungen auf.

Nicht grundlos ist die PKK in Deutschland verboten. Dennoch gewinnt man zuweilen den Eindruck, dass sich ihre Anhänger frei und ungezwungen in Deutschland bewegen können und das Land nicht nur als Bühne für ihre Forderungen, sondern auch als Rückzugs-, Finanzierungs- und Rekrutierungsraum für den bewaffneten Konflikt nutzen.

Angesichts dieser Bedrohungslage sind wir überrascht über die Teilnahmslosigkeit durch weite Teile der Öffentlichkeit und allen voran der Politik. Die Zahl der Brandanschläge auf Moscheen übersteigt unserer Zählung nach die Zahl der Verurteilungen dieser Taten – ob auf Landes- oder Bundesebene. Auch dies erfüllt uns mit großer Sorge. Muslime im gesamten Bundesgebiet sind bereits zutiefst verunsichert aufgrund der Übergriffe. Das Schweigen der Öffentlichkeit und die fehlende Solidarität tun ihr Übriges.

Wenn auch unser Vertrauen in den Rechtsstaat nach wie vor vorhanden ist, erschüttert uns doch die niedrige Aufklärungsquote von islamfeindlich motivierten Straftaten. Die Abschreckungswirkung der Strafverfolgung verliert so immer mehr an Bedeutung. Als Bürger erwarten wir von unserem Staat selbstverständlich Schutz und Sicherheit von Personen und ihren Einrichtungen, so auch von Moscheen und Gebetsstätten. Insofern hoffen wir, dass islamfeindliche Straftaten ernster genommen und künftig zeitnah aufgeklärt werden.

Wir appellieren eindringlich an Sie, sich den Sorgen der Muslime in Deutschland nicht zu verschließen und an der Sensibilisierung der Öffentlichkeit mitzuwirken. Es gilt auch zu bedenken, dass solche als terroristisch zu qualifizierende Anschläge auf Gotteshäuser nicht nur Muslime, sondern die Gesellschaft als Ganzes betreffen.

Abschließend hoffen wir daher, dass wir uns als Gesellschaft gemeinsam dieses Problems annehmen und eine Strategie zur Bewältigung dieser Bedrohung entwickeln können.

Mit ausgezeichneter Hochachtung

Bekir Altaş

Generalsekretär der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş